April 2001 Umweltbrief.org Muss Gorleben sterben? ______________________ Ende März 2001 sind wieder 6 Castor-Behälter unter größten Protesten und Eskalationen nach Gorleben verbracht worden, um dort dem "Zwischenlager" zugeführt zu werden. Allerdings ist die dortige Endlagerung noch gar nicht gesichert; Einerseits gibt es Experten-Gutachten, die einer Endlagerung im Salzstock sehr skeptisch gegenüberstehen, andererseits verweigert der Eigentümer seit Jahren seine Zustimmung. Da darüber hinaus der verstrahlte Müll erst einige Jahrzehnte abkühlen muss, bevor er endgelagert werden kann, ist der Ausbau des "Endlagers" zunächst gestoppt worden. Und so stehen nun 14 dieser hoch strahlungsaktiven Castor-Behälter mit bis zu 60 Grad C Außenwandtemperaturen in einer Gewerbehalle im Wald, nur geschützt von Wellblech-Wänden und einem elektrischen Zaun sowie Wachmannschaften, mit denen man nicht tauschen möchte. Das ganze nennt sich "Zwischenlager" und wird auf Kosten der Lebens- und Umweltbedingungen der dortigen Anwohner betrieben. Ein Ende ist seit Jahren nicht in Sicht. Die umweltbrief-Redaktion war während des Castor-Transports vor Ort: Es gab doppelt so viele Polizisten wie Demonstranten. Wieder ist erheblicher menschlicher, ökologischer und technischer Schaden entstanden. Die ganze Aktion dauerte mehr als zwei Tage, so dass der Niedersächsische Innenminister bereits erklärt hat, einen solchen Aufwand könne man sich in diesem Jahr aus Kostengründen nicht noch einmal erlauben! Finanzen wirken eben doch dominanter als moralische Werte. Inzwischen hat sich am 2. April ein Castor-Behälter aufgebläht! Die zur Abschirmung dort eingebrachten Moderatorstäbe aus Hart-Polyäthylen hatten nicht ausreichend Platz in den Bohrungen des Gussmantels. Durch Erwärmung dehnten sich diese Stäbe aus und entwickeln nun eine enorme Kraftwirkung, die gegen den Behälterboden drückt. "Die Behälterwände stehen unter großem Druck, weil die Ausdehnung der Morderatorstäbe in den Wänden falsch berechnet wurde", mutmaßt die BI Umweltschutz. Sollten jedenfalls Risse in der Behälterhülle entstehen, sei eine radioaktive Verseuchung nicht auszuschließen. In den USA seien Behälter aus diesem Material, Kugelgraphitguss, überhaupt nicht für einen Transport außerhalb von Atomanlagen zugelassen; auch innerhalb der Anlagen dürften diese nur im Schritt-Tempo in 80 cm Höhe über dem Boden bewegt werden. "Frau Merkel hat bereits einen Castorstopp verfügt wegen der äußerlichen Kontamination der Behälter, jetzt geht es um das verpfuschte Castorkonzept insgesamt, der Bundesumweltminister Jürgen Trittin muss handeln, die Castoren müssen aus dem Verkehr gezogen werden", fordert die BI. Wolfgang Ehmke Pikant: Bundesumweltminister Trittin, zu dessen Ressort auch die Reaktorsicherheit (wenn es so etwas gibt) gehört, hat vor 4 Jahren noch selbst an den Demonstrationen gegen Castor aktiv teilgenommen und ist nun in der Position, der Verantwortungsträger auf der anderen Seite zu sein. Trittin selbst bezieht sich auf den sog. "Atomkonsens", der seiner Meinung nach den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft beinhaltet. Die Atomwirtschaft allerdings hat diesen Konsens-Vertrag bislang unter dem Vorwand der "fehlenden Rechtssicherheit" noch gar nicht unterzeichnet. Es ist zu vermuten, dass die Atom-Industrie darauf spekuliert, dass nach dem Ausscheiden der grünen Regierungsbeteiligung der "Atom-Konsens" widerrufen wird! Den meisten Menschen ist inzwischen klargeworden, dass Kernkraft aus ökologischer Sicht als äußerst gefährlich einzustufen ist. GEO schreibt im März-Heft 2001: "Dank ihrer weltweiten Verbindungen vermitteln die Mafiafamilien die preiswerte Entsorgung giftiger oder verstrahlter Abfälle - entweder durch Export in Drittweltländer oder durch simples Verklappen im Meer. Sie mischen auch beim Handel von verbotenen Lebensmitteln mit und schmuggeln strahlen- oder giftverseuchtes Gemüse sowie Fleisch oder Derivate (Butter, Käse, Milchpulver) von Vieh, das mit verbotenen Mitteln gefüttert worden ist. Selbst von der europaweiten BSE-Krise profitieren die Mafiosi: Sie unterhalten illegale Schlachthöfe, zu denen Bauern ihre Herden aus Angst vor BSE-Tests bringen, und schmuggeln das Fleisch anschließend ins Ausland." (Quelle: GEO Nr. 3, 2001) Aber wie ist Kernkraft ökonomisch zu bewerten? Abgesehen von der Tatsache, dass allein die staatlichen Subventionen für Uran-Ankauf und die Transporte von Atom-Müll den Steuerzahler schon Unsummen kosten, ist die Frage zu stellen, was kostet die Entsorgung des Mülls und der zu verschrottenden Kraftwerke? Wie kann Atom-Müll überhaupt umweltgerecht entsorgt werden??? "Die Verbraucher zahlen über hundert Prozent mehr für die Folgekosten der Kernenergie als offiziell angegeben. Das hat das Freiburger Öko-Institut in einer Studie errechnet. Überprüft wurden Rückstellungen, welche die Energieversorger für den Abriss ihrer Reaktoren und die Entsorgung des Atommülls veranschlagen. Bisher hatten Betreiber und Bundesregierung bei den Entsorgungskosten rund 1,5 Pfennig pro Kilowattstunde Strom zugrunde gelegt. Das Öko-Institut dagegen geht davon aus, dass der Verbraucher bei jeder Kilowattstunde mit 3,18 Pfennig belastet wird. Das Milliardenpolster (aus diesen Rückstellungen, Anm. des Verf.) beschert den Energieversorgern - vom Stromkunden bezahlt - gigantische Zins- und Zinseszinsgewinne. Schlussfolgerung der Autoren: Entweder die Betreiber häufen "umfassende Finanzmittel" an, oder aber sie rechneten "intern mit erheblich höheren Kosten" für Stillegung und Entsorgung, als sie öffentlich einräumen." Der sog. Atompfennig, der im Strompreis jeder kW/h Atomstroms enthalten ist, soll als Rücklage dienen, um Atom-Müll und Kraftwerke nach Gebrauch entsorgen zu können. In den letzten 20 Jahren hat die Atomwirtschaft mit den vielen angefallenen Atompfennigen ein Vermögen von ca. 80 Milliarden DM erwirtschaftet. Dieses Geld ist natürlich gut angelegt worden, so dass es eine geradezu unglaubliche Rendite abwirft und sich ohnehin jeden Tag vermehrt! Der längst fällige Ausstieg aus der Atom-Energie würde also für die Atomwirtschaft bedeuten, dieses Vermögen dafür veräußern zu müssen. Allein das könnte der wichtigste Grund sein, den Ausstieg so lange wie möglich hinauszuzögern... Offensichtlich scheint also, dass niemand anders als die Atom-Lobby und deren Verbündete einen finanziellen Vorteil davon haben und dass ist wohl auch der Grund, weshalb manche Interessensgruppen (z.b. auch Gewerkschaften) so hartnäckig daran festhalten wollen.