Dezember 2009 Umweltbrief.org Wasserkrieg in Europa _____________________ Warum uns die Wasserprivatisierung den Hahn abdreht: Menschen töten für Wasser? – Das ist kein Horrorszenario, sondern düstere Zukunftsvision. Bereits jetzt leiden Deutsche, Engländer und Franzosen unter der voranschreitenden Wasserprivatisierung. Die Kosten für das kostbare Nass steigen immer höher und die Keller stehen regelmäßig unter Wasser. Aber der Staat will Kohle scheffeln und die Konzerne sind scharf darauf, das ultimative Monopol zu erlangen: Wer das Wasser kontrolliert, hat Macht. Eine Analyse der aktuellen Situation zeigt: die Bürger werden das nicht sein. So verkaufte die Stadt Berlin 49,9% ihrer Wasserversorgung im Jahr 1999 für stattliche 1,58 Milliarden Euro an den Essener Konzern RWE und die französische Firma Veolia. Die Bedingungen des Verkaufs wurden in Geheimverträgen geregelt. Alles, was der Bürger weiß, ist, dass die Wasserpreise immens stiegen. Um genau zu sein, weist der Stadtstaat bis heute die höchsten Wasserpreise Deutschlands auf. Eurawasser, das eigentlich dem Suez-Konzern gehört, versorgt unter anderem die Bewohner von Rostock, Schwerin, Leuna und Cottbus. Veolia-Wasser ist in 450 deutschen Kommunen tätig. Noch gründlicher als die Franzosen haben in Europa nur die Engländer ihr Wasser entstaatlicht. Da wechselten nicht nur das blaue Nass, sondern auch Rohre, Kanäle und Wasserwerke den Besitzer. Wieder zum Leid der Bürger hatte das bis vor Kurzem der RWE gehörende Unternehmen Thames Water nach der Übernahme der Wasserversorgung von der Regierung über Jahre keine Ausbesserung an den Rohren vorgenommen. In den teilweise noch in viktorianischen Zeiten gebauten Kanälen Londons versickern täglich über 915 Millionen Liter Frischwasser (30% des Wassers), wie die Aufsichtsbehörde Ofwat aufdeckte. Das ist nicht nur mehr, als die meisten europäischen Hauptstädte verbrauchen, sondern grenzt an Zustände, die man höchstens in Entwicklungsländern erwarten sollte. Die Zukunft der Londoner Wasserrohre ist aktuell ungewiss. Auch die Privatisierung in Argentinien mündete in einem Fiasko. Suez verlangt jetzt 1,7 Milliarden Dollar Entschädigung für den Rausschmiss. Argentiniens Präsident Nestor Kirchner reagierte empört. Nachdem Suez 15 Jahre lang im Land war und Hunderte von Millionen verdiente, haben immer noch viele Menschen keinen Tropfen Wasser. Was ist da los? In dem Versuch, die Kassen mit Geld zu füllen, ließen sich die Länder und Städte auf ein Konzept ein, dass sich Public Private Partnership nennt. Unter PPP, oder wie es auch eingedeutscht zu hören ist: »öffentlich-private Partnerschaft« (ÖPP), versteht man die verschiedenen Formen privater Kapitalbeteiligung an der Finanzierung und Verwaltung von Infrastrukturen und Leistungen des staatlichen Sektors. Die Bereiche und der zu erzielende Profit sind dabei fast unbegrenzt: Sparkassen, öffentliche Wohnungsbauförderung, Gesundheitswesen, der Bereich der Schulen, Gefängnisse und eben die Wasserversorgung werden von Privaten übernommen und geführt. Das bedeutet, durch die PPP’s liefert der Staat seine Bürger offenen Auges der Willkür der Unternehmen aus, wie die oben genannten Beispiele zeigen. Wer in diesem Szenario Wolf und wer Schaf ist, bleibt jedoch schwierig zu beantworten. >>> Etliche Politiker, die an maßgeblicher Stelle Einfluss nehmen können, tauchen nach Ende ihrer Polit-Karriere auf einmal in Vorständen und Aufsichträten der Wasser- und Energiekonzerne wieder auf, während die Vorstände und Aufsichtsräte der Konzerne wiederum Politik machen. Eindeutig ist nur, das Geschäft ist gewinnbringend. Noch liegen rund 90% der Wasserversorgung in öffentlichen Händen, aber der Druck wird stärker. Schätzungen besagen, dass viele Regionen der USA bis 2015 unter starker Wasserknappheit zu leiden haben könnten. In einem solchen Fall könnten die USA Dank des NAFTA-plus-Abkommens die Niagarafälle anzapfen und an der kanadischen Lebensader auf Pump gehen. Das »Blaue Gold« an der Börse: In China verfügt nur jeder Vierte über fließendes Wasser, und das Ringen seiner Regierung um eine Wasserversorgung wird immer deutlicher. Da werden Manager wie Hans Peter Portner hellhörig. Er verwaltet den Pictet-Fund Water, den ersten Wasser-Aktienfonds. Hatte sein Portfolio 2003 noch einen Wert von 200 Millionen Euro, stand dieser im Jahr 2006 bereits bei 1,7 Milliarden Euro. Aktuell liegt sein verwaltetes Vermögen gar bei 211 Milliarden Euro. Wann immer das Gespräch aufs »Blaue Gold« kommt, bekommen Börsianer leuchtende Augen. Für Suez-CEO Gerard Mestrallet ist Wasser das Öl des 21. Jahrhunderts. Laut dem Nestle-Chef Peter Brabeck ist es nur angemessen und richtig, Wasser ganz grundsätzlich zum Lebensmittel zu erklären und ihm einen festgeschriebenen Wert zu geben. In dem Film We feed the world sagt er wörtlich: »Wasser ist ein Lebensmittel so wie jedes andere und sollte einen Marktwert haben, ich persönlich glaube, dass es besser ist, man gibt einem Lebensmittel einen Wert, sodass wir uns alle bewusst sind, dass das etwas kostet.« Wir sprechen hier jedoch nicht von 500 Gramm Nudeln oder 1,5 Litern Orangensaft, sondern von Wasser. Mittlerweile wird jeder Zehnte von Veolia, Suez, RWE und den anderen privaten Konzernen versorgt. In den nächsten Jahren soll sich die Zahl verdoppeln, so das erklärte Ziel der Weltbank. Doch was passiert, wenn die Regierung keinen Zugriff mehr auf die Wasserversorgung in ihrem Land hat, außer wenn sie ihn monetär oder militärisch zurückerobert? Unsere Wasserversorgung ist ein essenzieller Bestandteil unserer Zukunft, und der Bürger sollte dabei unbedingt wieder Mitsprache einfordern. Mehr bei http://www.das-gibts-doch-nicht.info/seite3759.php http://www.tagesspiegel.de/berlin/Nebenkosten-Preise;art270,2806935 http://www.pnn.de/potsdam/166457 http://www.umweltinvestmentfonds.de/home/pictet_fund_water.php http://stephenleahy.net/2007/09/24/canada-losing-control-of-water-through-nafta-and-spp http://www.nahost-politik.de/tuerkei/wasser.htm