Juni 2005 Umweltbrief.org Klimawandel und Besteuerung ___________________________ Plädoyer für eine wirksame Besteuerung fossiler Energien: Um den Kampf gegen die globale Erwärmung zu gewinnen, ist es nötig, 500 Millionen europäische Bürger (und auch amerikanische, japanische und chinesische Bürger) zu mobilisieren. Wie soll das geschehen? Um das Verhalten von Hunderten von Millionen von Menschen zu verändern, bedarf es wirkungsvollerer Mittel als moralischer Appelle. Wir brauchen ein wirksames System von Anreizen und Abschreckungen. Warum nicht die Besteuerung als ein umfassendes und leicht zu handhabendes Instrument zur Reduktion von CO2-Emissionen nutzen? Warum nicht die Gelegenheit anstehender Steuerreformen ergreifen, um ein Steuersystem zu konzipieren, das einer nachhaltigen Entwicklung förderlich ist? Europa sollte sein Steuersystem nach drei Grundsätzen umbauen: - Besteuerung von Verbrauch statt von Einkommen oder Vermögen; - Stärkere Besteuerung von Gütern als von Dienstleistungen; - Wesentlich stärkere Besteuerung von fossiler Energie als von jeder anderen Verbrauchsart. Fossile Energie ist zu billig. Inflationsbereinigt sind Öl und Gas heute nicht teurer als vor 25 Jahren. Wenn wir sie so rasch wie möglich durch erneuerbare Energie ersetzen wollen, dann bedarf es einer doppelgleisigen Strategie: - Wir sollten fossile Energie verteuern; - Wir sollten mehr Forschung für erneuerbare Energie betreiben. Wie sollte ein "grünes Steuersystem" aussehen? - Es sollte einfach und transparent sein. Das muss das oberste Ziel jeder Steuerreform sein. Die Mehrheit der Bürger sollte von allen direkten Steuern befreit werden und keine Einkommensteuer-Erklärungen einzureichen haben. Einkommen-/Lohnsteuer sollte nur für Einkommen von >€ 15.000 erhoben werden. - Die Mehrheit der Bürger sollte ihren Beitrag zur Finanzierung staatlicher Leistungen über die MWST. und spezifische Verbrauchssteuern erbringen. - Der Standard-Satz der MWST. sollte etwa 20% betragen, wie das in Frankreich, Belgien, Italien, Slowakei und anderswo der Fall ist. - Die unterschiedlichen MWST.-Sätze sollten überprüft werden. Ist es noch angebracht, Nahrungs- und Genussmittel zu "subventionieren", wenn Europäer zunehmend unter Übergewicht leiden? Wäre es nicht richtiger, zwischen Gütern und Dienstleistungen zu unterscheiden und im Interesse der Nachhaltigkeit Dienstleistungen wie Reparaturen, Wartung, Sport, Fernsehen, Kino, Erziehung, Bücher anstelle von Nahrungsmitteln mit niedrigeren Sätzen zu besteuern? - Die Besteuerung von fossiler Energie sollte eine Haupteinnahmequelle für den Staat bilden. Wie sollte das gegenwärtig wenig kohärente System der Energiebesteuerung im Hinblick auf Klimawandel reformiert werden? - Die Regierungen müssen ihren Bürgern erklären, dass hohe Steuern auf Energie notwendig sind, um den Verbrauch von fossiler Energie und CO2-Emissionen zu reduzieren und zugleich dem Staat Einnahmen zu verschaffen. - Diesel, Benzin, Heizöl, Kohle und Erdgas sollten entsprechend ihres Gehalts an Kohlenstoff bzw. der CO2-Emissionen besteuert werden. Es gibt daher keinen Grund dafür, Benzin/Diesel höher als Heizöl zu besteuern. - Für die Finanzierung unseres Straßennetzes sollten wir Weg-Gebühren entrichten, nicht nur für LKWs, sondern auch für PKWs, wie das in Frankreich, Italien und Spanien der Fall ist. Dabei ist es irrelevant, ob diese Gebühren elektronisch erhoben werden wie in Deutschland oder Österreich, an eigens errichteten Gebührenstationen wie in Frankreich oder Italien oder an den Grenzübergängen wie in der Schweiz. Die Straßengebühren sollten die Gesamtheit der durch die Nutzung entstehenden Kosten, einschließlich der "externen" Kosten durch Umweltschäden oder globale Erwärmung, decken. - Der Flugverkehr und die Schiff-Fahrt, auf hoher See wie auf Binnengewässern, sollten der gleichen Art von Energiebesteuerung unterliegen wie alle anderen Energienutzer. Ein solches System lässt sich mit einem Minimum von gesetzlichen Änderungen in jedem der 25 Mitgliedstaaten einführen. In der Tat, seine wesentlichen Elemente sind EU-weit in Kraft: durch die EU Richtlinie vom Herbst 2004 über die Mindestbesteuerung der verschiedenen Formen fossiler Energie und durch den Ratsbeschluss vom Frühjahr 2005 über LKW-Mauten. Drei wesentliche Änderungen wären notwendig, um einen nachhaltigen Einfluss auf den Verbrauch fossiler Energie zu haben. - Luft- und Seeverkehr müssen voll einbezogen werden. Über die Einbeziehung des Luftverkehrs besteht innerhalb der EU Einvernehmen, nicht jedoch über die Art und Weise. Eine Mehrheit von Experten scheint das Problem durch die Einbeziehung der Fluggesellschaften in den Emissionshandel von CO2 lösen zu wollen. - Die Angleichung der Verbrauchssteuern auf Diesel und Heizöl. Dieses Problem lässt sich erst anpacken, wenn die Verkehrs-Maut überall in der EU eingeführt worden ist. Mehr bei http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20343/1.html Globaler Marshall-Plan soll Untergang aufhalten _______________________________________________ Professor Franz Josef Radermacher sparte nicht mit Kritik und deutlichen Worten. "Wir beuten andere Länder aus. Die westliche Welt kann nur deshalb so reich sein, weil andere arm sind." Der Zukunftsforscher zeigte sich überzeugt: "Wenn es uns nicht gelingt, die Ungerechtigkeit auf der Welt wenigstens zu mildern, dann fährt die Menschheit gegen die Wand." Was sich da an Konflikten aufbaue, sei "dramatisch gefährlich", sagte Radermacher. Sein Auftaktthema im Rahmen einer vierteiligen Vortragsreihe, die er im September in Rosenheim fortsetzen wird: "Weltweite ökosoziale Marktwirtschaft und Global Marshall Plan - ein Programm für eine bessere Gestaltung der Globalisierung." Die globale Grundordnung sei grundfalsch, mahnte der Zukunftsforscher, der unter anderem Wissenschaftlicher Leiter am Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung an der Universität Ulm und Kurator der Stiftung Weltvertrag ist. "20% der Weltbevölkerung verfügen über 80% des Wohlstands." Die reiche Welt sitze auf einem unglaublichen Konsumniveau. "Jeder hier im Raum verbraucht 15 Mal so viel wie andere Menschen aus der armen Welt", verdeutlichte Radermacher den rund 600 gebannt lauschenden Zuhörern. Das Problem sei, "dass die Armen reich werden wollen und zu Recht den gleichen Wohlstand anstreben, den wir in der westlichen Welt genießen". Es gebe "überhaupt keinen Grund, dass uns die Chinesen und Inder wirtschaftlich nicht einholen". Allerdings verbrauche die Menschheit jetzt schon das 1,2-fache der Ressourcen (Öl, Wasser, Böden), die der Globus eigentlich hergebe. "Unser Reichtum funktioniert momentan nur mit einem massiven Verbrauch endlicher, fossiler Energie und einem massiven Schadstoffausstoß", so Radermacher, der eindrucksvolle Zahlen nannte: "In Kalifornien kommen derzeit auf 1000 Menschen 1250 Autos. In China sind es gerade mal sieben. Die Chinesen und Inder wollen aber auch alle Auto fahren und glauben natürlich, sie können genauso viel Dreck machen wie wir. Das verträgt die Erde nicht, wir fahren ökologisch an die Wand." "Wir müssen miteinander einen Weg finden, die Ressourcen nicht überzustrapazieren und sie fair zu verteilen", forderte der Zukunftsforscher. Es könne "ein Drama werden, wenn die förderbare Ölmenge zurückgeht". Von den Reichen müsse jedoch unweigerlich die Bereitschaft verlangt werden, vergleichsweise ärmer zu werden. Das sei jedoch nicht einfach, "da der Mensch ein Hardwareproblem bekommt, wenn er nicht den Wohlstand genießen darf, an den er sich gewöhnt hat". Aufs Schärfste kritisierte er die "absurde Ideologie, die uns weis machen will, dass 20% der Weltbevölkerung als Leistungsträger den Rest der Welt mit nach oben ziehen". Radermachers Lösung für die immer dramatischeren Probleme ist eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft nach dem so genannten «Global Marshall Plan». Endziel dieser neuen Weltwirtschaftsordnung soll sein, "dass 80% der Weltbevölkerung über 60% des Kuchens verfügen". Erster Schritt müsse das Erreichen der von 191 Staaten unterzeichneten "Millenniumsentwicklungsziele" sein - wie die Beseitigung der extremen Armut und des Hungers, das Gewährleisten einer Grundschulbildung für alle Kinder und das Schaffen einer globalen Partnerschaft für Entwicklung. Rund 100 Milliarden Dollar, so hat die Initiative errechnet, würde die Umsetzung des «Global Marshall Plans» pro Jahr kosten. Um dies zu finanzieren, sprach sich Radermacher für eine minimale Besteuerung globaler Transaktionen aus. "Der momentane Freihandel führt nur zu immer größeren Problemen. Wir brauchen eine Belastung des Welthandels zur Entlastung des Mittelstands", so der Zukunftsforscher. Mehr bei http://www.rosenheimer-nachrichten.de/nachrichten/zet_report_6_8117.html http://www.globalmarshallplan.org http://www.oekonews.at/index.php?mdoc_id=1008937 http://www.zeit.de/2005/24/st-zukunftzwei Vernetzung fördern und an einem Strang ziehen! ______________________________________________ Die Prognose für die Zukunft ist düster. "Die Möglichkeit zum Untergang besteht", räumte Wolfgang Hofkirchner, Professor am ICT&S (Center for Advanced Studies and Research in Information and Communication Technologies & Society an der Universität Salzburg ein. "Doch die Menschen sind die erste Spezies, die nicht aussterben muss." Weil sie "kollektive Intelligenz" im erforderlichen Maß entwickeln kann. Einzelne Akteure würden durch soziale Interaktion Intelligenz hervorbringen, die weit über ihre eigene hinausgeht. Inspiration, Kommunikation und Innovation als Antwort auf Globalität und Komplexität? "Die globalen Probleme betreffen die ganze Menschheit und können nur von ihr als Ganzes gelöst werden", brachte Hofkirchner die Situation auf den Punkt. Bei der dafür notwendigen Vernetzung der Intelligenzen würden die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eine herausragende Rolle spielen. Aber lässt sich damit das Ziel einer kollektiven Intelligenz überhaupt erreichen? Ja, behauptet Hofkirchner, "wenn wir lernen, alle an einem Strang zu ziehen". Das hieße aber, eine höheren Ordnung zu akzeptieren. "Diese höhere Ordnung gibt es", erklärte Frithjof Finkbeiner, Vorsitzender der Global Marshall Plan Foundation. Für den Globalisierungskritiker kommt dafür nur die Welthandelsorganisation WTO infrage: "Eine per se demokratische Organisation mit Gericht und Sanktionsmöglichkeiten." Für ein Umdenken fehle allerdings der politische Wille. Darum gehöre vehement Druck ausgeübt - und dafür sei wiederum Vernetzung enorm wichtig. Vernetzung fördern: Der Vernetzung von Intelligenz und Wissen auf unternehmerischer Ebene widmete sich Ursula Maier-Rabler, Professorin und Leiterin des ICT&S, in ihrem Vortrag: "Wir leben heute in Informations-und Kommunikationsnetzwerken, müssen damit aber erst umgehen lernen." Das gelte vor allem für Unternehmen. Jegliche Form des Wirtschaftens erfolge heute wissens- und informationsbasiert. Mit massiven Auswirkungen auf den Unternehmeralltag: Produktion, Management und Vermarktung werden flexibler, Teile der Arbeit ausgelagert. "Nur durch starke Kooperationen und die Bildung von Allianzen wird das Überleben möglich sein." Zugleich bieten Netzwerke Chancen. "Wer sich zu einem Knoten im Netzwerk macht, wird zum Gewinner in der neuen Ordnung." Information dürfe freilich nicht nur bezogen, sondern müsse auch weitergegeben werden. Niemanden am Wissen teilhaben zu lassen, sei in Netzwerken tödlich. Das erfordere ein Umdenken, ermutigen soll eine Metapher: Wird das Licht einer Fackel an eine zweite weitergegeben, brennt die erste dadurch nicht weniger hell. (Fritz Neumüller/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 6. 2005) Umweltschutz und Klimaschutz sind Arbeitsplatzknüller _____________________________________________________ Inzwischen gibt es in Deutschland 1,5 Millionen Arbeitsplätze im Umweltschutz. Das sind doppelt so viel wie in der Automobilbranche! Allein im Bereich erneuerbarer Energien gibt es 150.000 neue Jobs. Das könnten - bei weiterem Ausbau - schon 2010 mehr als doppelt so viele sein. Die Vorteile sind vielfältig: Mehr Umweltschutz - mehr Arbeitsplätze - gute Exportchancen für Umwelttechnologien bei steigenden Ölpreisen, solange fossile oder atomare Rohstoffe importiert werden müssen. Der systemische Vorteil bei erneuerbaren Energien: nichts wird mehr verbraucht, alle Energie wird lediglich gebraucht. Mehr bei http://www.sonnenseite.com/fp/archiv/Art-Umweltpolitik/6546.php