Juli 2010 Umweltbrief.org Die Ablenkungs-WM _________________ Tröööööt!!! Laubbläser waren gestern, heute traktiert uns der Lärm von Vuvuzela Tröten, die nur Spass machen, wenn man kein Gehör mehr hat. Schon Wochen bevor die Fußball-WM überhaupt begonnen hatte, wehten schon Nationalflaggen an Autos, gab es fast nur noch Produkte mit WM-Anspielungen zu kaufen. Nie zuvor wurde soviel Reibach mit einer Fußball-WM gemacht. Ein Multi-Milliarden-Geschäft, das noch wachsen soll und ein "Sommermärchen" verkauft. Endlich mal ein Grund zum Feiern, denn bei einer WM kann man es trotzdem tun. Fahnen, Tröten, Hupen, Feuerwerk, bierseliges Gegröhle – und ein neues Nationalbewusstsein. Konsum und Spiele für das Volk, die von EM zu WM ausschweifender werden. Eine Fußball-WM lenkt jedoch auch sehr schön ab von * Rezession, Finanz- und Währungskrisen * von der Ölverseuchung des Golf von Mexiko (durch die Gier nach immer mehr Öl) * von sozialen Problemen durch Sparzwang bzw. staatlicher Misswirtschaft * von den wirklichen Gründen für den Rücktritt des deutschen Bundespräsidenten (man munkelt, Köhler sei genötigt worden, dem wahnsinnigen Griechenland-Sponsoring zuzustimmen...) * dem Abbügeln der Lebensmittel-Ampel durch die Lebensmittelindustrie in Brüssel * von Koalitions- und Regierungskrisen * von neuen Gesetzen (z.B. Sparpaket, CCS-Gesetz), die im Zuge des WM-Taumels fast unbemerkt verabschiedet werden können (Politiker gewinnen so Zeit, ihre Inkompetenz zu verdecken, von Konflikten abzulenken und ihre Probleme heimlich zu lösen bzw. auszusitzen). Die Welt wird mit einer Fußball-WM auf Nebenschauplätze ihres Daseins gebracht. Denn wer mit Fußball beschäftigt ist, denkt nicht an Missstände, Umwelkatastophen und Politik. Das wussten schon englische Fabrikbesitzer vor 150 Jahren, die das Fußballspielen ihrer unterbezahlten Arbeiter am Sonntagnachmittag gern unterstützten und auch förderten, denn Fußball-Fans sind denkbar unkritisch, wenn sie mit Fußball abgelenkt sind. Während Villa Bacho noch im Fußballfieber ist, wird in Villa Riba mächtig Rüstung betrieben, Krieg geführt, Geld gemacht und weitergezockt. "Die Tore auf dem Fußballfeld sind die Eigentore der Beherrschten" schrieb Gerhard Vinnai in seinem Standardwerk "Fußballsport als Ideologie". Brot und Spiele wirkten schon immer beschwichtigend auf das Volk. Es ist dann gut beschäftigt und konsumiert brav die angebotenen (WM-)Konsumprodukte. Die WM findet zwar in Afrika statt, doch viele Afrikaner verhungern und verdursten weiterhin. Denn mit ihnen lässt sich kein Geld machen. Planet Prolet: Böllerschüsse und Raketen bei jedem gefallenen Tor, später dann trunkene Autokorsos, Nationalfahnen und WM-Produkte aus PVC, ein enormer zusätzlicher Ressourcenverbrauch mit den entsprechenden Emissionen. Es fragt sich, wofür das alles? Offensichtlich lässt sich für nichts so viel Begeisterung wecken wie für eine Fußball-WM. Die Stars sind millionenschwere Gladiatoren, die keine Bildung brauchen ("...und dann tu ich ihn ihm rein in sein Tor"). Das macht sie für viele sympathisch. Früher war Fußball ein Spaß für die männliche Unterschicht, heute kajolen fast alle mit, auch Frauen. Killerspiel Fußball: Das zentrale Element des Fußballfantums ist, so scheint es, das mutwillige Stören anderer Leute. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit stundenlang hupend und trötend Städte und Dörfer terrorisieren? Wenn es aber um die eigene Ruhe geht, dann können Fußballfans überraschenderweise sehr empfindlich reagieren: So tötete ein Texaner seine zweijährige Stieftochter, weil sie ihn während des Spiels durch Weinen störte! Liegt es nun am sinkenden Bildungsniveau oder daran, dass die Unterschicht immer größer wird? Sind das noch reflektierende, mündige Bürger oder nennt man sie nur so, wenn sie Politiker wählen sollen? Ist der WM-Wahn ein Virus oder nur eine Störung? Oder ein gewaltiges Ablenkungsmanöver für die Massen? Heißt die Zukunft "Hartz 5 und Fernsehfußball"? Tröööööt!!! Horden ziehen durch die Straßen, die stolz auf ihr Land sind. Die Polizei ist von höchster Stelle angewiesen, ein Auge zuzudrücken. Es drängen sich Parallelen aus der Geschichte auf.